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Rückblick: Die Wurzeln des Raphaelhauses

 

Das Raphaelhaus steht in der Tradition zweier Häuser. Das eine ist das erste katholische Waisenhaus in Mülheim an der Ruhr, das 1856 auf Initiative des Vincence von Paul-Vereins durch den Pfarrer der St. Marien-Gemeinde, Kaspar Mathias Wilhelm Wolff, erbaut und 1858 eröffnet wurde. Das andere ist das von der Familie Thyssen 1927 gestiftete katholische Waisen- und Altersheim, das Franziskushaus an der Dohne.

 

„… Waisen und verlassene Kinder erziehen“

Die Errichtung des Waisenhauses war eine Antwort auf die sich im 19. Jahrhundert trotz des Fortschritts der industriellen Entwicklung ausbreitenden „Massenarmut, Verwahrlosung und Entsittlichung", von der vor allem Kinder und Jugendlichen betroffen waren. Es hatte das Ziel, „die Waisen und verlassenen Kinder zu pflegen und zu erziehen, ihnen eine sorgfältige Pflege und religiöse Erziehung zu geben, so dass sie später in der Lage sind, in der Gesellschaft selbständig zu existieren".

 

Das Heim unterstand dem Erzbischöflichen Generalvikariat und unterlag dem Aufsichtsrecht des Staates. Aufnahme fanden Kinder ab dem 5. Lebensjahr, Vollwaisen, Halbwaisen, von ihren Eltern verlassene Kinder und Kinder, deren Eltern nicht in der Lage waren, sie zu ernähren oder zu erziehen.

 

Erziehungsgrundsätzen einer „geregelten“ bürgerlichen Familie

1862 lebten 30 Kinder im Haus. Die Hausordnung orientierte sich an den „Erziehungsgrundsätzen einer geregelten bürgerlichen Familie". Die Atmosphäre sollte familiär geprägt sein und keinen Anstaltscharakter haben, weil die Verantwortlichen sich davon einen nachhaltigen Einfluss auf das künftige Leben der Kinder versprachen. Auf eine gute Ernährung und medizinische Versorgung sowie auf regelmäßige Hygiene und individuelle Kleidung (keine Anstaltskleidung) legte das Kuratorium großen Wert. Außerdem war es sehr darauf bedacht, dass die Heimkinder Kontakte zu den Stadtkindern pflegten, damit sich das „kindliche Gemüt und Wesen" frei entwickeln konnte, und damit die Kinder später weniger Schwierigkeiten im Umgang mit den Menschen in der Stadt hatten. 1864 übernahmen Schwestern aus der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern zu Essen die Leitung des Waisenhauses.

 

1927 – Familie Thyssen stiftet Waisenheim

Im Jahre 1927 wurde die katholische Waisenhaustradition in Mülheim durch die Familie Thyssen neubelebt, als diese zum Gedächtnis an Herrn August Thyssen die Stiftung zugunsten eines katholischen Waisen- und Altersheimes, des Franziskushauses an der Dohne, errichtete. In Verbindung mit dem Altersheim wurden in einem ehemaligen Fabrikgebäude ca. 40 Kinder, „schulpflichtige Knaben und Mädchen" sowie „Kleinkinder" betreut. Von 1947 bis 1951 war das Raphaelhaus auf Schloss Landsberg untergebracht. 1967 zogen die Kinder in das ehemalige Kindererholungsheim Raphaelhaus auf dem Auberg um, das nach 50 Jahren seine Tätigkeit eingestellt hatte.

 

Neue Wohnanlage – konsequente Umstrukturierung

Mit der Fertigstellung einer neuen Wohnanlage im Jahre 1976 begann eine konsequente Umstrukturierung der Heimerziehung auf familienorientierte Gruppen. Das Stiftungsziel des Raphaelhauses, neben erholungsbedürftigen Kindern der Thyssenstahlwerke auch Kinder aufzunehmen, die von ihren Eltern nicht versorgt oder erzogen werden können, wird somit heute noch realisiert. Damit lebt Tradition fort, andererseits aber passt das Raphaelhaus seine Angebote stetig an die Bedürfnisse der Familien an, die sich ebenso wie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändern. So erweitern mittlerweile zum Beispiel verschiedene ambulante Angebote das Leistungsspektrum des Hauses.